Akrobaten

Um diesen Nachbar zu sehen, brauche ich Geduld und Glück: Mitten in Neuhausen gegenüber von Barbaras Wohnung hat wie schon in den vergangenen Jahren wieder ein Mauerseglerpaar Quartier bezogen. Die Vögel nisten in einem Spalt direkt unter der Dachrinne, ihre An- und Abflüge dauern nur Sekundenbruchteile, ein Schatten, ein Huschen, dann sind sie nicht mehr sichtbar. Ebenso schnell wie die Segler in der Luft unterwegs sind, schlüpfen sie auch in ihre Quartiere beziehungsweise wieder heraus.

Wenn das  Wetter schön ist,  kreisen hier in der Großstadt  Mauersegler hoch über den Häusern auf der Jagd nach Insekten. Besonders spektakulär sind ihre Gruppenflüge, sie fliegen pfeilschnell durch die Häuserschluchten, begleitet von gellenden Schreien. Auf mich wirkt das, als ob einfach sie  ihrer Lust und Freude bei dieser wilden Jagd durch die Luft freien Lauf lassen. Ihr fast zigarrenförmiger Körper und die langen sichelartigen Flügel  sind für die Beherrschung des Luftraums wie geschaffen, am Boden dagegen sind sie stark gehandicapt, die kurzen Beine und Füße lassen kein Hüpfen oder Schreiten zu. Zum Abflug stürzen sie sich aus ihren Spalten und nehmen sofort Geschwindigkeit auf. Ein halbes  Jahr etwa verbringen die Mauersegler fliegend in der Luft, auch schlafend.

Bei Schlechtwetterperioden jagen sie oft an Gewässern nach Beute knapp über dem Wasser oder dem Ufer. Kommt ihnen dabei ein Mensch im Weg, kratzen sie erst im allerletzten Moment die Kurve. Unwillkürlich versuchst du dich da wegzuducken oder zur Seite zu drehen. Das ist aber unnötig,  als echte Luftakrobaten beherrschen sie alle Flugmanöver. Die Mauersegler an einem Juni- oder Juliabend über der Stadt  zu sehen und ihre Pfiffe zu hören, das ist für mich Sommer, schon Anfang August ist es vorbei, dann verlassen sie ihre Brutquartiere wieder.

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